योगभाषा «yogabhāṣā, die Sprache des Yoga», ist eine kleine Schule, die Yogalehrpersonen sowie anderen an Yoga und indischer Spiritualität interessierten Menschen die Sakralsprache Sanskrit, die Mantrapraxis und die mannigfaltigen Aspekte der Yogaphilosophie vermittelt. Sie besteht seit 2016, als an der Yoga-University in Villeret der Pilotkurs stattfand. Die in der Folge aus diesem entstandenen Kurse haben sich zusammen mit und dank des intensiven Austauschs mit den meist langjährigen Teilnehmerinnen und -nehmern und deren Anliegen und Ressourcen fortlaufend weiterentwickelt. Träger und Hauptseminarleiter ist Ralph Steinmann, der seit 2021 bezüglich Sprache von Peter Meyer assistiert wird. Letzterer ist auch für diese Webseiten verantwortlich. Für mehr Infos siehe «Über uns».
Die Antwort liegt auf der Hand: Selbst die umfangreichen, vierjährigen Yoga-Ausbildungen in der Schweiz sind nicht in der Lage, der Yogaphilosophie sowie der in vielen Yogaformen nicht wegzudenkenden Mantrapraxis angemessenen Raum zu geben, von einer Einführung in die Sakralsprache Sanskrit nicht zu sprechen. Immer mehr Yogalehrerinnen und -lehrer realisieren, dass Yoga mehr ist als Āsanas, Prāṇāyāma und Bandhas, und dass sie mehr über die Ursprünge, die Entwicklung und die Vielfalt des Yoga-Universums wissen und verstehen möchten, nicht zuletzt zur Bereicherung ihrer persönlichen Yogapraxis und zur Förderung ihrer Berufskompetenz als Yogalehrpersonen. Dazu gehört die mehr oder weniger intensive Auseinandersetzung mit Mantras und Sanskrit, der Sprache des Yoga! Die Kombination von Sprache, Mantras und Yogaphilosophie, die sich gegenseitig optimal ergänzen und überlappen, hat sich inzwischen als sinnvolle und sinnerfüllende Weiterbildung und Ergänzung zu den traditionellen bestehenden Yoga-Ausbildungen erwiesen. Unsere Kursatteste werden deshalb von diesen an die berufliche Weiterbildungspflicht angerechnet und sind steuerlich abzugsfähig. – Der erste Kurs entstand auf Anregung von Sabine Ecklin in Villeret 2014, eine Anregung, die von Reto Zbinden, dem Gründer und Leiter der Yoga University, verdienstvollerweise aufgenommen wurde.
Unsere Intention ist die möglichst authentische, d.h. kontextgetreue, auf Originaltexten und guten Übersetzungen und Kommentaren basierende Vermittlung der verschiedenen Yogatraditionen.
Unser Credo lautet: «Yoga ist nicht gleich Yoga! Yoga ist ein Universum. Yoga ist das Universum selber!»
Wir vertreten ein universales, inklusives Verständnis von Yoga, das alle Vorstellungen, Formen und Methoden des indischen Subkontinents einschliesst, die sich zum Ziel setzen, das wahre Wesen des Menschen zu verwirklichen oder Mitmenschen näher zu bringen – über die Vereinigung mit oder Realisierung des Einen, Absoluten oder Göttlichen, persönlich oder unpersönlich vorgestellt.
Das Ziel der vielen, fast unüberschaubaren Yogaströmungen ist dasselbe, nur in unterschiedlichen Begriffen ausgedrückt: In den Upaniṣaden und im Advaita Vedānta liegt es in der Erkenntnis der Identität des Ātman mit dem überpersönlichen, absoluten Brahman; in der Bhagavadgītā im interesse-, selbst- und wunschlosen Handeln im Namen von bzw. in der bedingungslosen Hingabe in Liebe und Vertrauen des Bhakta an einen persönlichen Gott, Bhagavān; in der Sāṃkhya-Philosophie in der Erkenntnis des absoluten, von der Erscheinungswelt unberührten, reinen Puruṣa; in den Yoga-Sūtras im Nirvikalpa-Samādhi über das Zur-Ruhe-Bringen aller mentalen Aktivitäten; im Tantrismus in der Vereinigung der Kuṇḍalinī-Śakti mit Śiva; im Kaśmīrischen Śivaismus in der Realisierung der Leere hinter allen Erscheinungen mit Hilfe einer von 112 Meditationsformen etc. – bis hin zu B.K.S. Iyengar, der die Verehrung und das Einswerden mit dem Göttlichen über jedes einzelne Āsana lehrte. Das alles, und mehr, identifizieren wir mit Yoga – wir wollen diese Yogaformen «Yogaphilosophie und Yogapraxis im engeren Sinn» nennen, auf welchen der Fokus unserer Kurse hauptsächlich, doch nicht ausschliesslich liegt.
In diesen Yogatraditionen ist Sprache, die Sakralsprache Sanskrit, «die Vollkommene», in all ihren Formen – gesprochen und unausgesprochen, rezitiert und gesungen, gemurmelt und letztlich schweigend, in der Stille aufgehend – das verbindende Element. Das Universum ist Schwingung, innerlich als kosmischer Klang hörbar, äusserlich als artikulierte, vibrierende Sprache vernehmbar, und damit aus indischer Sicht göttlichen Ursprungs. So sind auch all ihre Erscheinungsformen göttlich, in absteigender Abfolge von den einsilbigen Bīja- oder Samen-Mantras, den Urlauten und Bausteinen des Kosmos, über die mehrsilbigen Mantraworte und -verse bis hin zu umfangreichen Mantratexten, und ebenso von den rigoros rezitierten vedischen Mantras bis zu den devotionalen hinduistischen Mantras, den gesungenen Kīrtanas und Bhājanas. So ist Mantra-Yoga in all seinen Ausprägungen eine wichtige Form der «Sprache des Yoga».
Eine andere Form von Yoga in Verbindung mit der Sakralsprache Sanskrit ist das Verstehen und Übersetzen von Sanskritliteratur, insbesondere von sakralen, «heiligen» Texten. Übersetzen bedeutet nicht nur eine linguistische Herausforderung, die Aneignung von Kontextwissen und die Bereitschaft, den vertrauten heimischen Grund zu verlassen und sich auf eine «Entdeckungsreise», auf die Entdeckung einer andersartigen Mentalität und Kultur zu begeben. Ernsthaft betriebenes, genuines Übersetzen erfordert ein hohes Mass an Disziplin und Verzicht – nämlich die unbedingte Bereitschaft bzw. den festen Willen, auf Projektionen aller Art zu verzichten, was nichts anderes heisst als dem Unbekannten in einer Haltung der Demut zu begegnen – alles Grundeigenschaften vieler Yogatraditionen! Mehr dazu findet sich in der kurseigenen Grammatik im Kapitel «Die Kunst des Übersetzens – Übersetzen als Yoga: ein Plädoyer».
Sprache ist jedoch nur ein Mittel von vielen, das uns mit dem Einen, dem Höchsten, Absoluten, unserem wahren Selbst verbindet. Ein anderes Medium ist die Musik, die ja auch eine Form der Sprache ist: mit Emotionen verbundene, gesungene Sprache. Die klassische und die Volksmusik Indiens, ob instrumentell oder vokalisch, ob rein tönend oder in Sanskrit und noch häufiger in Regionalsprachen vermittelt – stehen im Dienst des Yoga. Traditionelle indische Musik will alle aktiv und passiv an ihr Teilhabenden mit dem Göttlichen verbinden. Insbesondere für die selber Musizierenden ist diese Ausdrucksform eine eigene Art von Yoga!
Von der Sanskritsprache mit ihren ganze Bibliotheken füllenden religiös-spirituellen Werken und philosophischen Abhandlungen, den grossen Epen, Erzählungen und Dichtungen und der in Indien allgegenwärtigen Musik ist der Sprung nicht weit zu den darstellenden Künsten, vor allem zum klassischen Tanz, zum Volkstanz und zum Volkstheater, die oft in Verbindung mit Musik und Sprache, weitere Formen des Yoga sind. Sie handeln von den mythologischen und den religiösen Überlieferungen des Volkes.
Eine eigene Kategorie von Yogaformen stellen die bildenden klassischen Künste einschliesslich der Volkskünste dar. Ob Tempelarchitektur, Skulptur in Form von Gottesstatuen oder Malerei ist es das Ziel des Künstlers und der Künstlerin, den Kosmos bzw. das Göttliche und seine Erscheinungsformen möglichst vollkommen abzubilden, so dass der Betrachtende diesem nahe kommen, ja mit ihm verschmelzen kann.
Alle diese Künste – nennen wir sie «Yogaphilosophie und Yogapraxis im weiteren Sinn» – gehören auch zum Yoga-Universum: Sie alle werden – wie in den «Yogatraditionen im engeren Sinn» – in Meister-Schüler-Zirkeln vermittelt und überliefert, und vor allem speisen sie sich aus derselben göttlich-kosmischen Quelle: Sarasvatī. Sarasvatī wird in Indien als Vākdevī, Ursprung und Urheberin von Klang, (Sanskrit-)Sprache und Literatur, der Musik und überhaupt aller Künste und Wissenschaften verehrt. Deshalb wird sie als eine Göttin abgebildet, die auf einem Lotus thront, das Vīṇā-Instrument spielt und die vier Veden in Händen hält (siehe Abbildung nebenan). Sie repräsentiert Bewusstsein, Weisheit und Achtsamkeit sowie Bildung und Lernfähigkeit. Darum ist Sarasvatī ist auch die Schutzpatronin unserer Kurse, die immer mit einem Sarasvatī-Mantra beginnen.
Neben Sarasvatī gibt es noch ein anderes Element, das alle Yogaformen verbindet und den Kern der meisten Yogaformen trifft: die Meditation im weitesten Sinn. Ohne unbedingte Fokussierung, Konzentration auf und Hingabe an ein höheres Ziel – im Yoga spirituell-göttlicher Art – ist keine Zielerreichung möglich.
Auf der Basis der Bedürfnisse der Teilnehmenden und mit deren intensiver Zusammenarbeit mit der Seminarleitung ist ein langjähriges, ausgereiftes und zugleich offenes, flexibles Curriculum mit Grund-, Aufbau- und Vertiefungskursen entstanden. In seinem Zentrum stehen drei Pfeiler, die parallel und inzwischen fast gleichgewichtig bearbeitet werden:
Diese drei Pfeiler werden ergänzt und umrahmt durch freiwillige, tägliche Meditations- und Haṭhayoga-Praxis frühmorgens, die im Turnus von den teilnehmenden Yogalehrerinnen und -lehrern angeleitet wird, was sehr geschätzt wird, da sie den informellen Austausch und das Kennenlernen anderer Yogastile ermöglicht. Das steht im Einklang mit dem kursübergreifenden Ziel, dass die Teilnehmenden ihre mannigfaltigen Ressourcen nutzen, erweitern und einbringen sollen, wo und wie sie dies können und wünschen (z.B. Yoga, Musik, Bewegungspausen).
Das Rahmenprogramm wird abgeschlossen durch ein blockspezifisches Abendprogramm am zweiten Tag, an dem entweder der Seminarleiter ein Thema präsentiert oder, häufiger, ein Film nach Absprache abgespielt und diskutiert wird.
Aufgrund der gemachten Erfahrungen bieten wir seit einigen Jahren nur noch Blockkurse an, aktuell zu drei Tagen mit zwei Übernachtungen. Die Praxis hat gezeigt, dass für eine konstante (Sprach-)Progression vier Blöcke pro Jahr nötig sind, die zusammen jeweils einen geschlossenen Jahreskurs bilden.
Eine methodisch-didaktisch abwechslungsreiche Umsetzung mit genügend Erholungs- und Bewegungspausen ist uns wichtig. Gerade in unserem Yogakontext ist uns eine stressfreie, immer wieder auch meditative Lernatmosphäre, welche spielerisches, kreatives und intuitives Lernen fördert, ein Anliegen. Wir selber sind keine Meditationslehrer, sondern wie die Teilnehmenden ernsthaft Suchende und regelmässig Praktizierende auf unserem je eigenen Yogaweg. Trotzdem nehmen in den Kursen meditative Elemente und Zeiten der Stille, z. B. im Rahmen der Yogapraxis frühmorgens, bei der Einübung und Verinnerlichung von Mantras oder bei Schreibsequenzen – tendenziell immer mehr Raum ein. – Mit Ausnahme des Abendprogramms sitzen wir jeweils im Kreis auf Yogamatten und -kissen mit Yogablöcken als Schreibunterlage.
Abgesehen vom Pilotkurs 2016 und vom Grundkurs 2024 (siehe unten) finden alle Kurse im Seminarzentrum Schweibenalp ob Brienz statt. Dieses bietet als Kraftort auf 1000 m. ü. M. nahe den Giessbachfällen zusammen mit der spirituell-ökologisch ausgerichteten Gemeinschaft, mit vollwertiger vegetarisch-veganer Kost, mit der Permakultur und vor allem mit dem täglichen klassisch-hinduistischen Tempel- und häufigem vedischem Feuerritual einen kongenialen Rahmen für unsere Kurse. Viele erlernte Mantras und Kīrtanas können dort live erlebt werden. Für weitere Informationen siehe schweibenalp.ch.
Der typische Ablauf eines Kurstages: 6.30–8.00 Meditation/Haṭhayoga, 8.00–9.00 Frühstück, 9.15–13.15 Seminar, 13.15–15.00 Mittagessen mit anschliessender freier Zeit, 15.00–18.15 Seminar, 18.15–19.00 Abendessen, 19.30–21.00 Abendprogramm.
2023 laufen zwei geschlossene Kurse: der Vertiefungskurs I (Start 2020) und der Vertiefungskurs III (Start 2016 bzw. 2018).
2024 wird mit dem vierten Grundkurs ein neuer Einstieg ins Curriculum angeboten. Dieser findet wieder in Villeret statt. Kontakt für Interessierte: rms[at]gmx.ch oder https://swissyoga.ch/aus-und-weiterbildung/
In unregelmässigen Zeitabständen wird eine Intensivwoche «Yoga und Bhoga» zur vertieften Bearbeitung eines Textes bzw. einer Epoche oder Strömung angeboten, letztmals war das 2022 der Fall.
10% der Kurseinnahmen gehen an eine langjährige schweizerisch-indische NGO zu Gunsten eines Kinderdorfes für körperlich und/oder geistig behinderte Kinder in Varanasi: www.kiranvillage.ch